“Musik als Fundament der Entscheidungsfindung” – Tokunbo über Autonomie im Musikgeschäft und ihr Solodebüt

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In der Blogreihe “Auf einen Kaffee mit…” veröffentlichen wir regelmäßig Interviews mit ehemaligen Teilnehmenden des Zertifikatskurses “Strategisches Musikmarketing im Social Web” – gespickt mit Tipps, persönlichen Erfahrungen und Inspirationsfutter für die eigene musikalische Karriere.

Andrea Wieczorek auf einen Kaffee mit Tokunbo

Auf einen Kaffee mit Tokunbo treffe ich mich, so entschied die Musikerin selbst, im Milch und Zucker, Kreuzberg. „Ich wohne in Neukölln, aber Kreuzberg liegt für die meisten auf halber Strecke. Das ist ganz praktisch.“ Das ist tatsächlich ganz praktisch, denke ich mir, nehme einen Schluck aus dem zu heißen Pfefferminztee. Meine Augen tränen. In der nächsten Stunde wird Tokunbo mir aus ihrem Leben erzählen, Geschichten, deren wichtigstes Element oft eine Entscheidung war. In der Laufbahn eines Musikers oder einer Musikerin können Entscheidungen Umwege bedeuten, Zufälle hervorrufen, oder in späterer Betrachtung doch als wichtig oder unwichtig abgestempelt werden. Die Entscheidungsfindung in der Musikerkarriere: Pragmatisch Denken oder auf das Bauchgefühl hören?

Foto: Simon Grunert

Tokunbo. Foto: Simon Grunert

„Angst hatte ich nie“

Tokunbo bestellt sich einen Kaffee. Es ist 18 Uhr, die Entscheidung definitiv pragmatisch und gut. Tokunbo Akinro ist in Nigeria aufgewachsen. Mit fünf, sechs Jahren hat sie ihren Vater, ein großer Reinhard Mey Fan, zum ersten Mal musizieren gehört – die Faszination und Emotionalität dieses Moments begleitet sie ihr Leben lang, auch als sie sich später in Deutschland entschied in Hannover Musik zu studieren. „Mein Vater spielte ein Konzert mit einer Sängerin, die er auf der Gitarre begleitete. Ich war ergriffen und wusste von dem Moment an, dass ich mich über die Musik ausdrücken möchte, Ich hatte nie Angst davor, die Musik zum Beruf zu machen.“

In Hannover gründet Tokunbo mit dem Saxophonisten Morten Klein Tok Tok Tok, die Band, die „Deutschlands Souljazz Export Nr. 1“ werden würde. „Ich war zu der Zeit in acht Bandprojekten“, erzählt mir Tokunbo. Ich sage „nein Quatsch“ – „ Dann kam Tok Tok Tok und mein Bauchgefühl sagte mir: Das ist es. Ich habe alle anderen Projekte gecancelt und mich nur auf Tok Tok Tok konzentriert.“  Ganze 15 Jahre musizieren und touren Tok Tok Tok auf der ganzen Welt und veröffentlichen 13 Alben.

Musik als Fundament der Entscheidungsfindung

Nach 15 Jahren wusste Tokunbo aber auch, dass es an der Zeit war eigene Ideen zu realisieren. „Ich hatte schon einige Songskizzen gesammelt und bin 2012 nach Berlin gezogen.“ Seit 2013 gibt es „Tokunbo“, die Solokünstlerin, die Folk Noir spielt und schon ein Jahr später mit ihrem Debütalbum „Queendom Come“ in Frankreich und Deutschland tourt. Den Bruch mit der erfolgreichen Band bereut sie nicht. „Ich finde es essentiell, sich als Künstler stets weiter zu entwickeln und mein Solo-Album ist Ausdruck dessen. Ich vertraue dabei darauf, dass meine Fans diesen Schritt mit mir gehen. Die Fans sind schlussendlich das Fundament unserer Existenz als Musiker ganz unabhängig von Labels und anderen Institutionen der Musikbranche.

“Queendom Come” – der Titelsong des neuen Albums ist eine Hommage an Tokunbos Großmutter

„Queendom Come“ wird mit positiven Kritiken aufgenommen, nicht nur im Web, sondern auch in der Radio- und Printpresse. Der Name des Albums ist auch der Name des Titelsongs, eine Hommage an ihre Großmutter. „Nigeria ist sehr patriarchal geprägt. Das heimliche Familienoberhaupt war trotzdem immer meine Großmutter. Sie hat in diversen Situationen mutige und unbequeme Entscheidungen getroffen und dafür bewundere ich sie.“ Auch ihre Gastmutter in den USA inspirierte sie dazu, ihren ganz eigenen Weg zu gehen  Ein Beispiel: Als Tok Tok Tok mit ihrer Musik nach Frankreich wollten, schickten Tokunbo und Morten kurzerhand ihre Platte an ein französisches Musikmagazin, dem Chefredakteur gefiel es und er half der Band eine Bookingagentur in Frankreich zu finden.

Facebook ist unverbindlich, die Bühne unersetzlich

Doch egal welche Entscheidung man selbst trifft, der wichtigste Faktor um mit seiner Musik weiterzukommen sind immer noch die Fans. „Mein Rat an alle aufstrebenden Musiker ist: viele Konzerte zu spielen. Nichts ersetzt die Erfahrung auf der Bühne und die Magie zwischen Künstler und Publikum.“ Tokunbo selbst postet regelmäßig Bilder und Events auf Facebook, um mit ihren Fans in Kontakt zu bleiben. „Facebook bietet eine wunderbare Plattform,  um meine Fans direkt anzusprechen, ist dabei aber auch sehr unverbindlich.“ Sie weiß, dass ein „Like“ nicht gleich bedeutet, dass die Person ihre Platte kauft oder auf ihr Konzert kommt.

“Heartbleed” hat Tokunbo zusammen mit einem ehemaligen DigiMediaL_musik Teilnehmer gedreht

Tokunbo möchte eine autonome Künstlerin sein, ihre Social Media Plattformen selbst verwalten, so kitschig es auch klingen mag, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wenn das Bauchgefühl überzeugt, müssen eben irrationale Entscheidungen gefällt werden. Risiken eingegangen werden. Es ist 19 Uhr, Tokunbos Kaffee ist leer. Wir machen Fotos. Ganz bestimmt zeigt sie mir, welches ihr gefällt. Gute Entscheidung.

Mehr von Tokunbo:

Tokunbo & Band on Tour:
02.05.14 Neumünster, Altes Stahlwerk
04.05.14 Hamburg, Nochtspeicher
06.05.14 Münster, Hot Jazz Club
16.05.14 Rottweil, Jazzfest
24.05.14 Karlsruhe, Tempel
25.05.14 Freiburg, Jazzhaus
26.05.14 Mannheim, Alte Feuerwache
30.05.14 Hannover, Pavillon
31.05.14 Berlin, Pfefferberg-Haus 13

Im Web:
www.tokunbomusic.com
facebook.com/tokunbomusic
twitter.com/tokunbomusic

 

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